Sonntag, 31. Januar 2021

Corona Frontbericht 1. Februar 2021 - 1 Jahr Pandemie

Wie man sehen kann: Die Lage entspannt sich nahezu von Tag zu Tag. Während Mitte Dezember die Inzidenzen ihren Höchststand erreichten, sind sie seither kontinuierlich gefallen und Ende Januar niedriger als Anfang November 2020. Es geht voran.


In anderen Ländern sieht es schlechter aus:

26.1.2021 FAZ

SZ 21.1.2021

Eine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen:
Hier sieht man es ganz deutlich. Es sind Impf-GLÄSCHEN, keine Impf-DOSEN, von denen immer die Rede ist!


Und zum Schluss: Vor ziemlich genau einem Jahr wurde der erste Corona-Patient in Deutschland entdeckt.


Montag, 25. Januar 2021

Die bunte Welt der Querdenkerinnen

FOTO: ADAM BERRY / AFP

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ist ein interessanter Artikel erschienen, der eine soziologische Studie aus der Schweiz referiert: Der Basler Soziologe Oliver Nachtwey hat mit seinem Team auf Corona-Demonstrationen in Deutschland und der Schweiz Teilnehmer befragt und mit Befunden aus einem Telegram-Chat erweitert. Auf diesem Weg, kam so eine Stichprobe von 1150 Corona-Kritikern zusammen. “Repräsentativ ist das zwar noch nicht, die Brisanz der Funde schmälert das aber nicht”, heißt es in der FAS. Weiter schreibt der Autor:
“Insgesamt, so das erste Urteil der Forscher, sei die Bewegung der „Corona-Kritikerinnen und Querdenkerinnen“ sehr heterogen. Es handele sich dabei nicht um eine, sondern um mehrere, häufig disparate soziale Gruppen, die über „geteilte Mentalitäten“ verbunden sind.” 

Welche Merkmale zeichnet nun die Querdenkerinnen aus?
  • 60 Prozent der Befragten sind Frauen,
  • 34 Prozent haben ein abgeschlossenes Studium,
  • 65 Prozent haben Abitur.
  • Über 80 Prozent gaben an, erwerbstätig zu sein, 25 Prozent von ihnen sind selbständig.
  • 32 Prozent rechnen sich der oberen Mittelschicht zu, 34% der unteren.
Und, könnte man durch Augenschein ergänzen: Die Mehrheit ist aus der Altersgruppe der 40er und darüber.
Welche Ideologie vertreten die Querdenkerinnen?
d
Die höchste Zustimmung bekam die Aussage, dass die Corona-Maßnahmen Meinungsfreiheit und Demokratie gefährden.
  • Ca. 50% stimmte der Aussage zu, es gebe „geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben“.
  • 75 Prozent der Befragten sagen, die Regierung verschweige der Bevölkerung die Wahrheit,
  • 70 Prozent glauben, dass man in Deutschland nicht mehr frei seine Meinung äußern könne.
Die Einstellungen gegenüber der Pandemie und der Medizin
sind wenig überraschend:
  • 60 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass „unsere natürlichen Selbstheilungskräfte“ mit dem Virus schon fertig werden würden,
  • 80 Prozent wollen sich einer Corona-Impfung verweigern,
  • fast 65 Prozent plädieren für die Gleichstellung von Alternativ- und Schulmedizin.
Überraschender (oder vielleicht doch nicht) ist das Wahlverhalten. Bei der letzten Bundestagswahl haben
  • 23 % ihre Stimme den Grünen gegeben,
  • 18% der Linken,
  • 15% der AfD und
  • 21% den sog. „Anderen“, also unterschiedlichsten Kleinstparteien und Gruppen.
Das wird bei der nächsten Wahl wohl nicht so bleiben. Die WELT ergänzt zutreffend:
“Daher lässt sich von „Abgehängten“ nicht sprechen. Vermutlich jedoch von Menschen, die sich abgekoppelt haben. Mehr als drei Viertel bestreiten, dass die Demokratie in der Bundesrepublik gut funktioniert. Fast 90 Prozent sind der Ansicht, dass sich „die meisten Politiker in Wirklichkeit gar nicht für die Probleme der einfachen Leute interessieren“.
Und ich ergänze: Die “einfachen Leute”, das sind natürlich immer die eigenen Leute, alle anderen sind “die da oben”. Ich verstehe es allerdings nicht. Warum neigen bestimmte Menschen zu solch abstrusen Ideen wie sie von Querdenkerinnen, QAnon-Anhängern und Freunden von Bodo Schiffmann lautstark vertreten werden? Ist es die prickelnde Lust am Anderssein, die Freiheit, auch Quatsch vertreten zu dürfen, einfach mal nein zu sagen, wenn die Obrigkeit ja sagt, oder ist es mehr, aber was soll das sein? Und ich frage mich: Wieso kenne ich solche Leute nicht? Bewege ich mich in so exotischen Kreisen?
Ich bin halt einfach gestrickt: Lieber UFFBASSE als Querdenken!
Hinweise/Quellen
DIE BUNTE WELT DER QUERDENKERINNEN von Gerald Wagner -Aktualisiert am 21.01.2021 (Hinter einer Bezahlschranke!) 
Originalstudie: Oliver Nachtwey, Robert Schäfer, Nadine Frei: Politische Soziologie der Corona-Proteste, Grundauswertung. Universität Basel, Dezember 2020. Weitere Auswertungen der Studie findet man hier: NEUE STUDIE: DIE „QUERDENKER“ – Wer nimmt an Corona-Protesten teil und warum? 24. Januar 2021 von Bernd Harder WIE TICKEN „QUERDENKER“? „Großes bürgerliches Lager, das nicht originär demokratiefeindlich ist“ 18.01.2021. Von Matthias Kamann

Sonntag, 24. Januar 2021

Man kann nicht alles haben

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 10.1.2021

Huch, was fehlt denn jetzt noch zur Perfektion? 

Ach so. Die totale Perfektion wird dadurch verpasst, dass sie möglicherweise käuflich ist. Man kann halt nicht alles haben.


 

Donnerstag, 21. Januar 2021

Corona Bericht Januar 2021

 Der Winter macht gerade eine kurze Pause, nachdem er Mitte Januar mit voller Pracht über uns hereingebrochen ist. Wintersport ist allerdings nicht unser Ding, so dass wir nur mit Erstaunen aber auch mit Gelassenheit die Nachrichten zu den Staus auf den Zufahrtsstraßen in die Wintersportgebiete im Odenwald und Nordschwarzwald zur Kenntnis nehmen. Natürlich habe ich Verständnis für den Wunsch, endlich mal rauszukommen und die Natur zu genießen, vor allem bei Familien mit Kindern. Aber wir müssen uns da nicht anschließen.

Weihnachten

An den Corona-Weihnachtsfeiertagen ist mein Sohn mit Frau und den beiden Mädchen nach Leeheim gekommen und hat dort Station gemacht. Sabine und ich haben die Familie am Samstag besucht. Die Begegnung fand aber nur im Freien statt, mein Sohn wollte kein Risiko für uns eingehen. Seine Mutter hat ein Picknick vorbereitet und wir sind mit drei Autos an den Rhein zum Naturschutzzentrum auf dem Kühkopf gefahren, wo wir das Picknick aufbauten. Es war sehr schön, aber auch sehr kalt. Genauer: sehr, sehr kalt. Wir haben noch einen Rundgang auf der Insel gemacht und sind dann zurück nach Leeheim zur weihnachtlichen Bescherung. Auf der Terrasse gab es dann noch mal Kaffee und Kuchen und die Kinder packten ihre Geschenke aus. Es war immer noch sehr, sehr kalt, aber natürlich auch herzerwärmend, alle mal wieder zu treffen und die freudigen Gesichter der Enkelkinder zu sehen.

Irritationen

Die Pandemiezahlen hier im Neckar-Odenwald-Kreis haben sich vor Weihnachten erschreckend entwickelt und erreichten eine Inzidenz von fast 400! Das war teilweise dreimal so hoch wie in Darmstadt und liegt heute noch doppelt so hoch wie in der Stadt oder im Landesdurchschnitt von Baden-Württemberg. Wie ist das zu erklären? Man sollte doch annehmen, dass in der Stadt die Menschen dichter aufeinander leben als in einem Landkreis und somit das Risiko für Ansteckung deutlich höher ist.

Zwei Beobachtungen machen stutzig:

Die Tochter einer Kollegin war auf einer privaten Party. Tage später traten erste Infektionen auf. Mutter und Tochter bleiben in Quarantäne, aber dem jüngeren Sohn wollte die Mutter das nicht zumuten. "Was soll er denn zu Hause alleine machen?", war die Begründung. Und man solle von der Quarantäne bitte niemandem etwas sagen, weil,... Ja, weil was? Man schämt sich (zurecht) leichtsinnig gewesen zu sein, fürchtet aber die Reaktion der Umgebung - großartige Einstellung. Später stellte sich heraus, dass die Tochter tatsächlich positiv war. Und noch schlimmer: Die Mutter wurde auch positiv getestet, hat das aber allen Kolleginnen gegenüber verschwiegen. Man fasst es nicht, die Dummheit ist wirklich grenzenlos. 

Die Angst vor der "Schande wegen Infektion" wird es bei vielen geben, und so steigen die Zahlen und steigen und steigen.

Möglicherweise liegt hier auch eine der Ursachen dafür, dass die Infektionsraten in den Landkreisen durchwegs höher sind als in den Städten.

Ein anderer Fall: In einer sozialen Einrichtung wird zum Ende der Arbeitswoche ganz selbstverständlich mit Kaffee und Kuchen mit den Kollegen gefeiert. Dicht beieinander, ohne Masken. Der Chef vorne weg und niemand denkt sich etwas dabei. Corona? Doch nicht bei uns.

“Ich könnt mich grad richtich uffreche.”

Corona und Schule

Privat halten wir uns weitgehend zurück. Die öffentliche Schule ist für Sabine zwar endlich dicht und auch die Kinder und Enkelkinder in der näheren Umgebung halten sich sehr bedeckt, was Besuche angeht. Dafür muss Sabine aber in die Stammschule der Diakonie zum unterrichten mit dem kleinen Unterschied, dass es keine Präsenzpflicht für die Schüler gibt und die Eltern sich für Fernunterricht entscheiden können. Das heißt Präsenzunterricht "ohne Schulpflicht", denn die Sonderschulen werden bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie regelmäßig außen vor gelassen, obwohl hier der Kontakt zwischen Lehrern und Schülern noch am engsten ist. Niemand versteht das. 

Überhaupt ist die Schulpolitik in Baden-Württemberg, was die Pandemie angeht, ein einziges Vor und Zurück und ein Kampf zwischen Kultusministerin und Ministerpräsident. Kurz vor Weihnachten informierte Kultusministerin Eisenmann (CDU)  die Schulen über das weitere Vorgehen. "Ich gehe davon aus und werbe sehr dafür, dass wir Kitas und Grundschulen in jedem Fall wieder in Präsenz öffnen und auch Klasse 5, 6 und 7 sowie die Abschlussklassen im Blick haben - unabhängig von den Inzidenzzahlen". Dieser leichtsinnigen und verantwortungslosen Ankündigung wurde vom Büro des  Ministerpräsidenten Kretschmann (Grüne) sofort widersprochen, aber das Hin  und Her war damit noch lange nicht beendet und dauert weiterhin an. Die Landtagswahl steht vor der Tür.

Wenn ich einkaufen gehe, dann seit Anfang Januar nur noch mit FFP2-Maske, die wir vom Kultusminister in großer Zahl bekommen haben. Allerdings waren das noch KN95-Masken ohne Zertifikat. So hoffen wir durch den Winter zu kommen.

Amerika

Wenn man so will, hat die Pandemie doch etwas Gutes. Man kommt zum Lesen und kann darüber nachdenken. Ich habe mir angewöhnt, zu jedem gelesenen Buch Notizen anzufertigen. Beim Anfertigen von Notizen entwickeln sich die Gedanken (oder so ähnlich). Manches setze ich zur Erinnerung auf meinen Privatblog, z.B. das und das

Wie viele andere haben auch mich die Ereignisse in den Vereinigten Staaten sehr beschäftigt - und das schon seit längerer Zeit.

Ich habe einen dreifachen Bezug zu den USA: Als Jugendlicher hatte ich amerikanische Freunde, GI's aus Mainz-Finthen - und das in der heißesten Phase des Vietnamkrieges, als nahezu täglich Gruppen diese jungen Soldaten nach Südostasien abkommandiert wurden. Viele Jahre später war mein Sohn im Alter von 17 ein Jahr als Gastschüler bei einer amerikanischen Familie untergebracht. Und noch später habe bei Laufwettbewerben in Darmstadt einen amerikanischen Soldaten kennengelernt, mit dem ich jetzt seit mehr als 20 Jahren befreundet bin. Nur ich war noch nie in den Staaten.

Das macht es begreiflich, dass mir die USA sehr nahe stehen und es trotz aller Ereignisse auch bleiben. Meine Irritationen über Trump und seiner Wählerschaft habe ich seit Herbst durch Lektüre zu klären und in Worte zu fassen versucht. Man kann das hier nachlesen: 

Mein Amerika und Trump - Drei Bücher zum Verständnis 

und als Zusammenfassung hier: 

Mein Amerika und Trump: Ein Resümee.

Die USA verstehen sich ja als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wir werden sehen, ob dieser Satz auch in negativer Hinsicht gültig ist.

Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen!


Wie wird das neue Jahr? Wird es eine Rückkehr zum status quo ante geben? Ich wage keine Prognose, hoffe aber optimistisch auf einen guten Verlauf der Impfkampagne und als Folge auf die Möglichkeit zum Sommerurlaub in Frankreich. Gerne würden wir wieder an die Loire, an den Atlantik oder in die Pyrenäen fahren. Oder vielleicht doch noch mal nach Ledro um den Berg zu besteigen?  
Für die Pfingstferien haben wir schon mal das Peterle gebucht, wie jedes Jahr. 

Draußen schneit es wieder. Der Winter ist zurück. Ich sitze im Warmen und freue mich auf den Sommer. Ihr auch?

Reiner

 





Mittwoch, 20. Januar 2021

Freitag, 15. Januar 2021

Never forget - never forgive

Washington, 6. Januar 2021

"We’re going to walk down to the Capitol — (APPLAUSE) — and we’re going to cheer on our brave senators and congressmen and women, and we’re probably not going to be cheering so much for some of them. (LAUGHTER) Because you’ll never take back our country with weakness. You have to show strength and you have to be strong.  Washington Post 11. Januar 2021

"Wir werden zum Kapitol gehen. Und wir werden unsere tapferen Senatoren und Kongressabgeordneten anfeuern. Und wir werden wahrscheinlich einigen von ihnen nicht so sehr zujubeln. Weil man unser Land niemals mit Schwäche zurückerobern wird. Man muss Stärke zeigen und man muss stark sein."

Capitol Storming Video: Klick


“We’re storming the capitol. It’s a revolution.”

Jana aus Kassel hat eine Schwester: Elizabeth aus Knoxville/Tennessee:


Aber leider gibt es nicht nur eine komische, sondern auch eine tragische Seite der Ereignisse:
KMBontheroad postet auf der Twitter-Seite:
"Nothing will happen to her. She is privileged. She will not lose her job. She will not lose her Healthcare. She will not be arrested. She will not lose her right to vote or to bear arms."
Wir werden sehen.

Dienstag, 12. Januar 2021

Mein Amerika und Trump: Ein Resümee


Die drei hier referierten Autoren zeigen, dass Trump vorläufiger Höhepunkt einer langen Entwicklung ist: der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft in zwei radikal unterschiedliche soziale Milieus. Diese Spaltung ist heute weniger ökonomisch als vielmehr kulturell begründet. Der Kampf, der heute in den USA ausgetragen wird, ist soziologisch ein Kampf von städtischen Zentren gegen eher ländliche Regionen, von urbaner, akademischer Elite gegen erzkonservative, radikale Evangelikale und waffenstarrende, militante Mittelklassenangehörige, und nicht zuletzt ist es ein Kampf von Jung gegen Alt, Schwarz gegen Weiß. Aber nicht nur die alten weißen Männer sondern auch Selbstständige jeglicher Ethnie und jegliche Geschlechts in der Stadt und auf dem Land finden sich auffallend stark unter den Trump-Wählern. Ihr Motiv: Sicherheit und Ordnung, Furcht vor den Riots, niedrige Steuern.


Ideologisch ist es auch ein Kampf zwischen Anhängern von Öffentlicher Sicherheit und Wirtschaftsorientierung gegen solche, denen Antirassismus, Diversität, Black Lives Matter, LGBT, Corona-Pandemie wichtigere Themen sind. 

Insgesamt, man schaue sich die Bilder von der Erstürmung des Capitols am 6. Januar an, ist es ein “klassenübergreifender” Aufstand, getragen von einem Querschnitt der amerikanischen, weißen Bevölkerung.  Ein Aufstand von “They maced me-Elizabeth” aus Knoxville, Tennessee gegen Nancy Pelosi aus Baltimore, Maryland. Eine Revolte der Provinz gegen Washington, der "weißen " Peripherie gegen das Zentrum. 

"Murder the Media"

Thomas Frank und Torben Lütjen weisen aber auch auf die Radikalisierung  der Demokratischen Partei in ihrer Hinwendung zu einer extremen Politik der Diversität hin, die zur Spaltung des Landes beiträgt.

Die eigentlich Abgehängten der amerikanischen Unterklasse, “die armen Amerikaner, die in verwahrlosten Vorstädten von fettem Fastfood leben” (So Claudius Seidl abschätzig in der FAS vom 1.11.20) wählen vermutlich überhaupt nicht. Bei der Komplexität des amerikanischen Wahlsystems und dem Aufwand, der getrieben werden muss um sich als Wähler zu registrieren und auch tatsächlich wählen zu können, auch kein Wunder.

Die jüngste Präsidentenwahl mit dem Erfolg von Joe Biden zeigt nicht, dass die Spaltung des Landes gestoppt wurde, sondern spiegelt nur die reale Kräfteverteilung zwischen den beiden amerikanischen Milieus wider.

Es bleibt offen, ob Biden diesen Prozess aufhalten kann oder ob Trump wieder zurück kommt. Ich bin eher pessimistisch, denn das Problem mit Trump sind seine Wähler: 74 Millionen.

Wahlsystem und Wahlrecht

Die Ursache für diese deprimierende Diagnose liegt, neben der fatalen Spaltung der Medien des Landes in zwei sich bekämpfende, jeweils die eigene Klientel bedienende Echokammern, auch in zwei Besonderheiten des us-amerikanischen politischen Systems. Zum einen in dem zersplitterten, dysfunktionalen und zutiefst ungerechten Mehrheitswahlsystem, in dem jeder Bundesstaat, und vielerorts jeder Bezirk, seine eigenen Regeln der Wahl und Wahlauszählung hat. Es beginnt schon mit der Wahl der Präsidentschaftskandidaten, die zum Beispiel in Iowa, Kansas, Maine durch Caucus erfolgt (offene Stimmabgabe in lokalen Parteibüros durch Handaufheben oder Wahl einer Ecke des Raumes), während andere Staaten Primaries (geheime Wahlen registrierter Parteianhänger - nicht Mitglieder!) abhalten. Noch absurder: In Idaho und Nebraska veranstaltet nur die Demokratische Partei, in Montana nur die Republikanische Partei Caucuses.

Die Stimmen bei der eigentlichen Präsidentenwahl am Wahltag gehen nicht direkt an die Kandidaten sondern an Wahlmänner nach dem Mehrheitsprinzip, d.h.: the winner takes it all. Ausgenommen aber wiederum in Staaten wie Maine und Nebraska, wo die Stimmen anteilmäßig auf die Wahlmänner größerer Bezirke verteilt werden. 

Es gibt absurd zugeschnittene Wahlbezirke (sogenanntes Gerrymandering), die schwarze Bezirke systematisch benachteiligen. 

In Wisconsin gibt es 99 Wahlbezirke, die der republikanisch dominierte Senat des Staates derart filigran filetiert hat, dass demokratische Wahlsiege sich in einigen wenigen Bezirken ballen; und obwohl die Demokraten zuletzt 60 bis 65 Prozent der Stimmen erobert haben, halten die Republikaner immer noch die Mehrheit in ebenjenem Senat, der die Wahlbezirke einteilt.
Klaus Brinkbäumer / Stephan Lamby: Im Wahn. Die Amerikanische Katastrophe. C.H. Beck Verlag, München 2020

In manchen Staaten sind Studentausweise als Legitimation nicht zugelassen, aber Waffenbesitzkarten sehr wohl. In anderen werden Wahllokale in so geringere Zahl aufgestellt, dass stundenlanges Warten an einem Arbeitstag unumgänglich ist. Anderswo werden Briefkästen abmontiert um die Abgabe der Briefwahl zu behindern oder man richtet wie in Georgias Südosten für mehrere Millionen Bürger ein einziges Wahlbüro für Frühwähler ein.

Es gibt kein nationales Wahlrecht für die nationale Präsidentschaftswahl; jeder Staat hat seine eigenen Regeln. Das “stellt  die Demokratie, wie wir sie kennen, auf den Kopf.” (Jörg Schönenborn, FAZ 3.11.2020, S.15)

(Mehr zum Wahlverfahren in den unterschiedlichen Staaten siehe hier: How the US counts votes 

Zweiparteiensystem

Die zweite Ursache für die Spaltung des Landes folgt aus der ersten: Die “Versäulung” des amerikanischen Parteiensystems Es gibt nur zwei Parteien, die sich ernsthaft Chancen auf eine Machtbeteiligung ausrechnen können, die Republikaner und die Demokraten. Beide Parteien haben in der Mitte des politischen Spektrums eine stabile Anhängerschaft und konzentrieren sich deshalb immer mehr auf ihre extremen Flügel, die sich sozial konträr und politisch unversöhnlich gegenüberstehen.

Wird Joe Biden diese tiefe Spaltung überwinden können? Und wie soll das gelingen, wenn die eine Hälfte des Landes von einem staatsfernen Leben träumt und die andere von einem eingreifenden Staat, der allen sozialen Gruppen eigene Rechte und Förderprogramme gewähren soll?

Und ich frage mich im Dezember 2020, nach den abgeschlossen Präsidentschaftswahlen und dem Sieg Joe Bidens: 

Ist der amerikanische Alptraum jetzt vorbei oder beginnt er erst? Eine Antwort darauf ist möglicherweise:

Washington, 6. Januar 2021


Weiterführendes Material

Zur Mentalität amerikanischer Evangelikale empfehle ich das Buch von

Tara Westover: Educated - A Memoir (Deutsch „Befreit: Wie Bildung mir die Welt erschloss“).

Rezensionsübersicht beim Perlentaucher


Zu Trumps sozialer Basis:

"Trump versteht die Amerikaner besser als irgendein anderer"

Trump-Anhänger sind frustrierte, ältere, weiße Männer mit geringer Bildung? Mitnichten.

Interview: Carolin Gasteiger SZ 11. November 2016, 16:11 Uhr  US-Wahl


Zu ähnlichen Ergebnissen wie Hochschild kommt 

Katherine J. Cramer: Was Amerikas "Abgehängte" wirklich bewegt

Katherine J. Cramer: The Politics of Resentment: Rural Consciousness in Wisconsin and

the Rise of Scott Walker (Chicago Studies in American Politics).

SZ 18. Januar 2017


Zum Wahl- und Parteiensystem:

The Electoral College, explained. Why some Americans’ votes count more than others.

Youtube Video


Karl-Rudolf Korte: The Winner takes it all? Das Wahl- und Parteiensystem der USA Online Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung


Zu den Schwächen des us-amerikanischen Wahlsystems siehe:
Joseph O'Neil: Politik als Virus. Gedanken eines amerikanischen Germanisten aus Kentucky
zu Donald Trump.
https://literaturkritik.de/politik-als-virus-essay-joseph-d-oneil,27347.html 


Außerdem:
Klaus Brinkbäumer/Stephan Lamby: Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe.
Sonderausgabe für die Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 10 630. Bonn 2020.

Julia Kastein/Sebastian Hesse-Kastein: Great Again? Reportagen aus einem zerrissenen Amerika.
Sonderausgabe für die Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 10 604. Bonn 2020.


Neuerscheinungen

Ein tief gespaltenes Land. Sechs neue Sachbücher beschreiben die USA unter der

Präsidentschaft Donald Trumps – und den neu gewählten Präsidenten Joe Biden.

Von Dieter Kaltwasser


Besprochen werden:
Klaus Brinkbäumer / Stephan Lamby: Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe.

Verlag C. H. Beck,

München 2020.


Stephan Bierling: America First. Donald Trump im Weißen Haus.

Verlag C. H. Beck,

München 2020.


Bérengère Viennot: Die Sprache des Donald Trump.

Aus dem Französischen von Nicola Denis.

Aufbau Verlag, Berlin 2019


Evan Osnos: Joe Biden. Ein Porträt.

Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff und Stephan Gebauer.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2020.


Philip Gorski: Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump.

Mit einem Vorwort von Hans Joas.

Herder Verlag, Freiburg 2020


Timothy Snyder: Die amerikanische Krankheit. Vier Lektionen der Freiheit aus einem US-Hospital.

Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn.

Verlag C. H. Beck, München 2020.


Zum Start der Artikelfolge über "Mein Amerika und Trump": Klick

Montag, 4. Januar 2021

Corona-Frontbericht 4. Januar 2020: Es geht voran

Die Infektionszahlen entwickelten sich bis Weihnachten explosiv. Ob der Trend danach wirklich gebrochen wurde, ist nicht sicher. Das Robert-Koch-Institut gibt zu bedenken:

Während der Weihnachtsfeiertage, zum Jahreswechsel und an den umgebenden Tagen ist bei der Interpretation der Fallzahlen zu beachten, dass zum einen meist weniger Personen einen Arzt aufsuchen, dadurch werden weniger Proben genommen und weniger Laboruntersuchungen durchgeführt. Dies führt dazu, dass weniger Erregernachweise an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet werden. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Gesundheitsämter und zuständigen Landesbehörden an allen Tagen an das RKI übermitteln.


Die dramatische Entwicklung kann man auch am folgenden Schaubild ablesen:

Bildquelle: Süddeutsche Zeitung vom 24.-27.12. 2020. Aktuelle Zahlen: Klick

Die Pandemie hat auch teilweise überraschende Auswirkungen:


Wie sich die Infektion über Aerosole in Räumen wie Restaurants etc. ausbreitet, zeigt modellhaft eine Animation der spanischen Zeitung El Pais. (Link freundlicherweise publiziert von c't aus dem Heise Verlag)

Scrollt man nach unten, findet man die Simulation für eine Schulklasse!



Freitag, 1. Januar 2021

Gelesen 2020

 

Dezember 2020 gekauft

Gelesen

       J. Kastein/S. Hesse-Kastein: Great Again? Reportagen aus einem zerrissenen Amerika

       Gary Shteyngart: Willkommen in Lake Success

       Deniz Ohde: Streulicht

       Clemens Meyer: Als wir träumten

November 2020 gekauft

Gelesen

       Hans-Peter Kunisch: Todtnauberg

       Richard Ford: Irische Passagiere.

       Michael-André Werner: Schwarzfahrer

Oktober 2020 gekauft

Gelesen

       Richard Ford: Irische Passagiere.

       Torben Lütjen: Amerika im kalten Bürgerkrieg

       Deniz Ohde: Streulicht

       Thomas Frank: Was ist mit Kansas los?

       Torben Lütjen: Amerika im kalten Bürgerkrieg

September 2020 gekauft

Gelesen

       Angela Drescher: Rummelplatz

       Annie Ernaux: Die Scham

 

       Christine Cazon: Von hier bis ans Meer

       Leon Werth: 33 Tage. Ein Bericht

       Henry Rousso: Vichy. Frankreich unter deutscher Besatzung 1949-1944

       Raymond Queneau: Zazie in der Metro

       Tara Westover. Befreit

       Annie Ernaux: Die Scham

August 2020 gekauft

Gelesen

       Christine Cazon: Von hier bis ans Meer

       Janet Flanner: Paris, Germany

       Steffen Mau: Lütten Klein

Juli 2020 gekauft

Gelesen

       Martin Gross: Das letzte Jahr

       Raymond Queneau: Zazie in der Metro

       Janet Flanner: Paris, Germany

       Eugen Ruge: Metropol

       Lutz Seiler: Kruso

       Martin Gross: Das letzte Jahr

Juni 2020 gekauft

Gelesen

       Bernd Cailloux: Gutgeschriebene Verluste

       Juli Zeh: Corpus Delicti. Ein Prozess

       Fang Fang: Wuhan Diary

       Peter Bialobrzeski: Wuhan Diary (Fotographs)

       Ernst Horst: Nur keine Sentimentalitäten!: Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte

       Bernd Cailloux: Gutgeschriebene Verluste

       Juli Zeh: Corpus Delicti. Ein Prozess

       Fang Fang: Wuhan Diary

       Peter Bialobrzeski: Wuhan Diary (Fotographs)

 

Mai 2020 gekauft

Gelesen

 

       Lisa Fittko: Mein Weg über die Pyrenäen

       Jackie Thomae: Brüder

       Eugen Ruge: Metro

April 2020 gekauft

Gelesen

       Cihan Acar: Hawaii

       Christine Cazon: Vollmond über der Cote D’Azur

       Jackie Thomae: Brüder

       Bov Bjerg: Serpentinen

       Cihan Acar: Hawaii

       Christine Cazon: Vollmond über der Cote D’Azur

März 2020 gekauft

Gelesen

       Katja Oskamp: Marzahn, mon amour: Geschichten einer Fußpflegerin

       Djuna Barnes: Paris, Joyce, Paris

       George Saunders: Fuchs 8

       Jeremias Thiel: Kein Pausenbrot, Keine Kindheit, Keine Chance.

       Eugen Ruge: Metropol

       Bov Bjerg: Serpentinen

       Katja Oskamp: Marzahn, mon amour: Geschichten einer Fußpflegerin

       Djuna Barnes: Paris, Joyce, Paris

       Johannes Groschupf: Berlin - Prepper

       George Saunders: Fuchs 8

       Jeremias Thiel: Kein Pausenbrot, Keine Kindheit, Keine Chance.

 

Februar 2020 gekauft

Gelesen

       Harald Jäner: Wolfszeit

       Steffen Mau: Lütten Klein

       Christian Baron: Ein Mann seiner Klasse

       Eva Kurowski: Gott schmiert keine Stullen

       Stewart O’Nan: Henry persönlich

       Christian Baron: Ein Mann seiner Klasse

       Eva Kurowski: Gott schmiert keine Stullen (abgebr.)

Januar 2020 gekauft

Gelesen

       Stewart O’Nan: Henry persönlich

       Emmanuel Carrère: Brief an eine Zoowärterin aus Calais

       Gary Shteyngart: Willkommen in Lake Success

       George Saunders: Fuchs 8

       Jonathan Raban: Bad Land

       Joan Didion: Woher ich kam

       Emmanuel Carrère: Brief an eine Zoowärterin aus Calais

       Joan Didion: Im Land Gottes

 

 

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