Once Upon A Time...

... in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es im nördlichen Odenwald einen jüdischen Posamentenhändler. Er hieß Daniel Rothschild (oder Rotschild, da die Schreibweise damals noch nicht so genau genommen wurde), geboren 1825, und bot seine Textilwaren als “fliegender Händler” an, vor allem Zier- und Dekorationsartikel für Kleider, Bezüge usw., die sogenannten Posamenten.


Er hatte acht Kinder, sechs Söhne und zwei Töchter. Über die Mutter (oder die Mütter - die Sterblichkeit der Frauen bei der Geburt war zu dieser Zeit sehr hoch) ist mir nichts bekannt.



Das erste Geschäft in Breuberg-Neustadt (um 1860 und heute)


Daniel Rothschild erkannte die Zeichen der Zeit, wandte sich dem stationären Handel zu und baute seinen Textilhandel sukzessive aus, indem er, oft zusammen mit seinen Söhnen, mehrere Textil- und Bekleidungsgeschäfte in der weiteren Umgebung seiner Heimat eröffnete: 

  • 1855 einen Laden in seiner Geburtsstadt Neustadt-Breuberg. 

  • 1889 in Michelstadt unter dem Namen seines Sohnes »E. Rothschild«..

  • 1893 in Heidelberg unter dem Namen Gebrüder Rothschild 

  • 1897 Darmstadt, Sigmund Rothschild (1870-1940), der jüngste Sohn von Daniel Rothschild.

  • 1900 Ludwigshafen, 

  • 1906 Mannheim 

Es gab noch zwei weitere Läden, die aber nicht überlebten.


Die Geschäfte wechselten hier und da den Standort und liefen wohl sehr gut, denn in Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen und Darmstadt wurden die Geschäftsräume erheblich erweitert und residierten Mitte der 30er Jahre oft in sehr repräsentativen Gebäuden.


Foto Darmstadt 1914, das weiße Gebäude vor der Erweiterung des Geschäftshauses 1919


Mannheim 1919


Heidelberg 1933 (?


In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es zu Boykotten und staatlichem Druck durch die Nationalsozialisten, die schließlich zum Geschäftsverbot und zur Enteignung der jüdischen Inhaber führten.


Das Geschäft in Michelstadt ging an die Familie Krämer, das in Heidelberg an die Familie Straub, das in Ludwigshafen an Bernhard Schuh, das in Mannheim an Karstadt und das Kaufhaus in Darmstadt an die Familien Erich Henschel und Hans Ropertz (Henschel & Ropertz). Häufig verlief die Geschäftsübergabe weitgehend einvernehmlich, auch wenn die jüdischen Eigentümer unter Druck verkaufen mussten und die neuen Eigentümer von der veränderten Situation profitierten.

Wenige Monate nach dem Krieg wurde Hans Ropertz von Marta Rothschild, der zweiten Ehefrau des ursprünglichen Eigentümers Sigmund Rothschild, zum Verwalter des Geschäftes bestellt; später kam es zu einem Wiedergutmachungsverfahren, bei dem es zu einem für beide Seiten zufriedenstellenden Ausgleich kam und Marta Rothschild wieder Kommanditistin der Firma H&R wurde und es bis 1963 blieb. Bis zu ihrem Tod 1980 besuchte sie öfters mit ihrem Sohn die Stadt und hielt Kontakt mit der Familie Ropertz.

Eine Tafel am Gebäude in Darmstadt gibt Auskunft:


Das Business entwickelt sich prächtig und überall wurden die Häuser neu aufgebaut und erweitert. So in Darmstadt mit einer, wie die Eigentümer schreiben, heute nicht unumstrittenen - grünlichen Fassade.


Quelle


Der Prozess der Unternehmensübernahmen war aber nach dem Krieg nicht abgeschlossen: 1972 übernahm Henschel&Ropertz das Geschäft in Michelstadt, 1976 das Geschäft in Heidelberg, so dass heute wieder drei Geschäfte der Familie Rothschild unter neuen Eigentümern unter einem Dach vereint sind. Seit 2003 firmiert die Gruppe aber nur noch unter dem Namen Henschel, da die Familie Ropertz ausgeschieden ist.

Der Kreis ist wieder geschlossen.

... Once Upon A Time in Germany.


Quellen: Ropertz, Hans-Rolf: Der Weg vom Kopf zum Arm ist lang : Erinnerungen an mein beruflichen Leben bei Henschel & Ropertz ; Band 1. [Hauptbd.]. . Darmstadt : Privatdruck, [Januar 2010] https://henschel-darmstadt.de/unsere-geschichte/


Stadtlexikon Darmstadt