Thomas Frank: What's the Matter With Kansas: How Conservatives won the Heart of America. Metropolitan Books, New York 2004,
deutsch: Was ist mit Kansas los? Wie die Konservativen das Herz von Amerika erobern. Berlin Verlag, Berlin 2005.
Arlie Russell Hochschild: Strangers In Their Own Land. Anger and Mourning on the American Right,The New Press, New York 2016,
deutsch: Fremd in ihrem Land. Eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2017.
Torben Lütjen: Amerika im Kalten Bürgerkrieg. Wie ein Land seine Mitte verliert, WBG Theiss, Darmstadt 2020
Thomas Frank: In Kansas fing alles an
“Was ist mit Kansas los?” erschien 2004 in den USA und 2005 auf deutsch, hinterließ damals jedoch keine große Resonanz in den deutschen Medien. Die Clinton-Jahre waren gerade vorbei, Präsident war George W.Bush und die Folgen von 9/11 bestimmten das politische Geschehen. Frank steht vor einem Rätsel:
Kansas, in den 1890er Jahren eine Hochburg von teilweise sozialistisch gefärbtem Agrarpopulismus, ist heute ein zuverlässiger Teil der republikanischen Machtbasis zwischen Rocky Mountains und Mittlerem Westen. (Wikipedia)
Seit den 50er Jahren des 20.Jhdts konnte nur ein einziges Mal ein demokratischer Kandidat bei Präsidentschaftswahlen eine Mehrheit erzielen, Lyndon B. Johnson 1964.
Was war also mit Kansas los, fragt sich der amerikanische Journalist und Historiker Thomas Frank.
Frank sieht bereits in den 90er Jahren in Kansas die extreme Polarisierung Amerikas heraufziehen. Er zeigt auf, wie es in Kansas, einem der ärmsten Staaten der USA, rechten Evangelikalen gelang einen “backlash” durchzusetzen. Darunter versteht er einen Kulturkampf um die Abtreibungsfrage, die Durchsetzung des Kreationismus an öffentlichen Schulen und eine Steuersenkungspolitik, die letztlich zur Pleite des Staates führte. Ausgelöst wurde dieser Kampf überraschenderweise durch junge, radikale Konservative gegen gemäßigte, reiche und liberale Republikaner.
“Der Backlash ist eine Theorie darüber, wie die Welt der Politik funktioniert, gleichzeitig bietet sie aber eine fertige Identität an, in der der Glanz der Authentizität und der Narzissmus der Opferrolle für praktisch jeden erreichbar ist. >>Ihr seid das Salz der Erde, das pochende Herz Amerikas<< sagt der Backlash all den schlecht gelaunten Vorstädtern, wenn sie Fox News einschalten, >>und trotzdem werdet ihr auf ungerechte und empörende Weise verfolgt<< Nun dürfen aber auch sie das Gefühl verletzter Rechtschaffenheit genießen, wie sie allen anderen gekränkte Gruppen zur Schau stellen.”
Nina Simone “Backlash Blues”
Einigendes Band des backlash, war der Antiintellektualismus. Thomas Frank verweist auf zwei Traditionen des Antiintellektualismus in Kansas und den USA. Zum einen auf den protestantische Fundamentalismus, der den direkten Weg zu Gott sucht, ohne Umweg über akademisch gebildete Priester, und der dafür lieber charismatische Prediger bevorzugt;
Damit einher geht ein weitverbreitetes Misstrauen gegenüber fachlicher, wissenschaftlicher Expertise, das auch von jenen, wenn es ihnen nützt, vertreten wird, die selbst aus der Ivy-League stammen. Harvard Hates America war ein populärer Schlachtruf der Backlash-Vertreter.
“Jeder Aspekt des Backlash-Albtraums weist in dieselbe Richtung. Überhebliche Akademiker, die den ungewaschenen und ungebildeten Pöbel verachten, zwingen ihre fachmännischen (das heißt liberalen) Ansichten einer Welt auf, die darauf nicht reagieren darf.” (205)
(Man erinnere sich an die Äußerung von Hillary Clinton im Wahlkampf 2006, als sie abschätzig vom Basket Of Deplorables Wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/Basket_of_deplorables sprach, und damit dem Antiintellektualismus weiteren Auftrieb gab.)
Sein Fazit für Kansas:
“Politik ist, wenn die Leute in den Kleinstädten sich angesichts dessen, was Wal-Mart und ConAgra angerichtet haben, in den Kreuzzug gegen Charles Darwin einreihen.” (245)
Wie ist aber der Backlash erklärbar? Maßgeblich für den Aufstieg der rechtspopulistischen Republikaner in Kansas war nach seiner Ansicht die fatale Politik der Clinton-Regierung. Die Demokraten waren (und sind immer noch) keine Alternative zu den Republikanern, sondern lediglich eine zweite wirtschaftsfreundliche Partei. Bill Clintons Strategie der Anpassung an die Wirtschaft spielte den rechten Republikanern in die Hände, denn: “Wenn die wichtigen wirtschaftliche Fragen nicht mehr zur Debatte stehen [...], dann können sich die Parteien nur noch durch ihr Haltung zu gesellschaftliche Fragen unterscheiden. Und in einem solchen Klima können Appelle der Demokraten an Leute mit durchschnittlichem Einkommen leicht neutralisiert werden. “ (181)
“Nachdem Demokraten und Republikaner sich in Sachen Freihandel einig waren, blieben als Streitfragen nur noch die Abtreibung und die Schusswaffen übrig. Und natürlich der Staat als solcher.”[...] Die Demokraten konnten nur noch auf die Unterstützung der Bessergestellten rechnen.” (182f)
Und das waren zu wenige.
Ist das überzeugend? Interviews mit Trump-Anhängern zeigen immer wieder, dass es die Wirtschaftspolitik Trumps und der Republikaner ist, die für hohe Zustimmung im Lager der gutverdienenden White-Collar-Arbeiter und der selbstständigen Mittelschicht sorgt, vermutlich sogar über alle Rassengrenzen hinweg. Diese Zustimmung ist so stark, dass viele Wähler die charakteristischen Schwächen und Ausfälle Trumps in Kauf nehmen..
Thomas Frank hat 2004 in diesem Buch gezeigt, "wie die Konservativen das Herz von Amerika eroberten”, indem sie den Klassenkampf durch einen Kulturkampf ersetzten.
Er schließt mit den prophetischen Sätzen:
“Es stimmt aber auch, dass Dinge, die in Kansas ihren Anfang nehmen - der Bürgerkrieg, die Prohibition, der Populismus, Pizza Hut -, eine historische Tendenz haben, das ganze Land zu erfassen. Womöglich ist Kansas gar nicht zum Lachen, sondern in Wahrheit die Vorhut.” (254)
Das Buch liest sich heute wie eine Vorstudie zum Aufstieg Donald Trumps.
Thomas Frank: What's the Matter With Kansas: How Conservatives won the Heart of America. Metropolitan Books, New York 2004,
deutsch: Was ist mit Kansas los? Wie die Konservativen das Herz von Amerika erobern. Berlin Verlag, Berlin 2005.
Rezension von Barbara Eisenmann beim Deutschlandfunk vom 30.5.2005:
Fortsetzung: