Samstag, 23. August 2025

Jenny Erpenbeck – Kairos

 

Jenny Erpenbeck: Kairos, Penguin Verlag, München 2021.
ISBN 9783328600855 Gebunden, 384 Seiten, 22,00 EUR

Jenny Erpenbecks Roman „Kairos“ beginnt  im Jahr 1986 und erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe zwischen der 19-jährigen Katharina und dem 53-jährigen Hans vor dem Hintergrund des untergehenden Sozialismus in der DDR. Im Zentrum steht das Bild einer wahrhaft toxischen Beziehung: Hans, ein privilegierter „Kulturarbeiter“ mit Westkontakten, verkörpert eine autoritäre und selbstgerechte Figur. Er nimmt sich Freiheiten und Rechte heraus, die er seiner jungen Geliebten nie zugestehen würde. Katharina hingegen erscheint zu Beginn als naive, unterwürfige Figur, als verliebte dumme Gans – eine Frauenrolle, die in den 1980er Jahren eigentlich kaum mehr vorstellbar schien.
Im Laufe des Romans jedoch verschieben sich die Machtverhältnisse: Katharina emanzipiert sich, wird eigenständiger und bewusster, während Hans in Selbstmitleid und Resignation versinkt. Die entscheidende Pointe offenbart sich im Epilog: Bis kurz vor dem ersten Treffen der beiden war Hans ein IM der Stasi.
Erpenbecks Roman ist durchzogen von typisch deutscher Innerlichkeit – die Figuren hadern immer wieder: „darf ich, soll ich, kann ich?“ Charakteristisch ist auch die starke Präsenz deutsch-sozialistischer und klassischer Kultur – Werke von Brecht, Bach, Wagner oder Mozart werden nicht nur erwähnt, sondern begleiten die Figuren im Alltag, etwa in Form von Schallplatten, die - gerne auch bei Kartoffelsalat und Buletten -  im Hintergrund laufen. Die Sprache ist manchmal  bewusst „bürgerlich-gehoben“, wie Sätze à la „Und nun setzen sie sich zu Tisch“ zeigen, aber auch das proletarische Klischee des ständigen Korntrinkens fehlt nicht.
Der Schauplatz Ost-Berlin 1986 wirft die Frage auf: Ist das noch relevant oder verweist das inzwischen mehr auf nostalgische Erinnerungen? Ist diese Geschichte exemplarisch für Ost-Berlin Ende der 80er, so wie Sven Regeners „Herr Lehmann“ exemplarisch für das West-Berlin der 80er steht?
Letztlich bietet  der Roman aber mehr als nur eine Geschichte vom Ende eines Staates und einer toxischen Beziehung. Die Unterwerfung löst sich in einen Neuanfang auf – sowohl individuell als auch gesellschaftlich. Auch wenn manche Konstellationen aus der Zeit gefallen wirken, überzeugt besonders die Sprache Jenny Erpenbecks, die das Buch zu einem besonderen Leseerlebnis macht.

Fazit:
Ein leises, aber intensives Buch, das lange nachhallt – für Leserinnen und Leser, die sich auf psychologische Tiefen und den Zeitgeist der späten DDR einlassen wollen.
Kairos beweist, dass große Literatur nicht laut sein muss, um zu bewegen.

Note:
This text about Jenny Erpenbeck's book was created by Perplexity. It is based on notes I made while reading the book and made available to Perplexity.