Ende der 50er-Jahre
war der sogenannte “Mecki-Haarschnitt” bei kleinen Jungs angesagt. Er bezog sich auf die bekannte Comicfigur und glich einem amerikanischen GI-Schnitt. Das heißt, die Haare wurden sehr kurz geschnitten und standen senkrecht nach oben. Auch ich wollte das als ca. Achtjähriger und ließ mich mutig beim Friseur darauf ein. Aber leider, leider. Bei mir standen die Haare nicht senkrecht nach oben, sondern lagen platt auf meinem Kopf. Meine Mutter sagte: „Du siehst aus wie ein verhungertes Russenkind!“ Woher hatte sie diese Information?
Friseur “Rudel”
Der Friseur im Rastatter Dörfel, in der Nachbarschaft der „Kaserne“, war Rudolf „Rudel“ Dotzauer. Alle gingen zu ihm. Ein Haarschnitt für mich als Kind und Jugendlicher kostete 1,70 DM, Trinkgeld gab es keines. Den Haarschnitt nannte man Fasson, er war an den Seiten sehr kurz und hatte einen Seitenscheitel. Bevor man den Friseursalon verließ, wurde man mit Kölnisch Wasser eingenebelt. Erst dann konnte man unter größter Vorsicht den Laden verlassen: „Hoffentlich sieht mich keiner!”
Zuhause angekommen, waren die Kommentare immer vernichtend: „Ah, wieder ein Hitlerjungen-Schnitt!“
Erlösung
Mit 14 kam dann die Erlösung. Ich durfte einen anderen Friseursalon „in der Stadt“ aufsuchen und mir einen sogenannten „Rundschnitt“, in der Familie auch „Franzosen-Schnitt“, machen lassen, das heißt mit Haaren bis in den Nacken und mit „Koteletten“. Stolz posierte ich vor dem Spiegel. Meine vormals französisch verheiratete Tante kommentierte: „Sieht toll aus!“
Ich war vom Status des Kindes in den des Jugendlichen aufgestiegen.
Foto aus meinem Wehrpass; erstellt ca 1967
Jahrelang war dann ein Friseur-Besuch überhaupt nicht mehr angesagt. Man schnitt sich die Haare selbst, wenn überhaupt. Wild und gefährlich war das Leben geworden.
Nachtrag
Jahrzehnte später, als ich bereits in der Moosbergstraße in Darmstadt wohnte, habe ich mir in der nahegelegenen Cambrai-Fritsch-Kaserne, die von einer amerikanischen Einheit bezogen worden war, im Barber-Shop einen originalen GI-Haircut machen lassen. Bilder davon gibt es nicht. (Ist wohl auch besser so.)
Epilog
Einen Tag, nachdem ich diesen Beitrag geschrieben habe, sitze ich bei meinem „Hausfriseur“ in Darmstadt und erhalte die schreckliche Nachricht, dass der Salon im August für immer schließt, da sich kein Nachfolger gefunden habe.
Damit endet eine über 40jährige Geschäftsbeziehung und ich muss mich wieder auf die Suche machen Aber Rettung naht: Seine Mitarbeiterin, die mir ebenfalls immer wieder meine Haare zu meiner (und Sabines) voller Zufriedenheit schnitt, wechselt in einen anderen Salon in Darmstadt und nimmt mich gerne als Kunde mit. Ufff.