Sonntag, 28. Februar 2021

Corona Frontbericht 1. März 2021

Im Westen kaum Neues. Die Inzidenzen stabilisieren sich auf einem Niveau um die 50 Neuinfektionen in 7 Tagen, bezogen auf 100 000 Einwohner.


Die Schulen öffnen Schritt für Schritt. Die Auswirkungen bleiben ungewiss: Zwei Meldungen vom gleichen Tag




Am 24. Februar konnte ich mich zum Impfen registrieren lassen. Einen Termin habe ich aber noch nicht. Dafür kann ich am 1. März zum Friseur. Dort gab es einen Termin!






Sonntag, 7. Februar 2021

Die amerikanische Katastrophe


Die Journalisten Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby begleiteten den amerikanischen Wahlkampf vom Sommer 2019, also noch vor der Wahl Joe Bidens als Kandidat der Demokraten, bis zum Sommer2020, als die Pandemie in den USA zuschlug und sich das Debakel für Donald Trump abzeichnete.

In dieser Zeit führten sie vor Ort Interviews mit renommierten Kollegen, d.h. Journalisten, Radiomoderatoren und Medienvertretern beider Seiten. So mit Chris Cuomo, Brian Stelter, Manu Raju von CNN, Marty Baron, Chefredakteur bei der Washington Post und Journalisten der NYT. Aber auch konservative Moderatoren von Fox News und ehemalige (irgendwann wurde bei Trump jeder gefeuert) Trump-Berater wie Sebastian Gorka (aufgestiegen als rechter Radiomoderator) und Anthony Scaramucci kommen zu Wort. 
Ergänzt werden diese “fachlichen” Interviews durch Interviews mit gesprächsbereiten (und nicht unfreundlichen) Trumpanhängern auf Wahlkampfveranstaltungen, wie z.B. Michael Graham und “Greg P.”, die am liebsten alle Demokraten lynchen würden, wenn das Impeachment gegen Trump erfolgreich wäre. Da klingt schon der 6. Januar 2021 an. 
Auch der deutsche Außenminister kommt zu Wort.


Das Buch ist eine journalistische Fleißarbeit im besten Sinne, eher präskriptiv als analytisch und weniger eine Studie als eine Diagnose des gegenwärtigen politisch-medialen Systems in den USA. Und sie fällt erschreckend aus. 
Demnach ist das Land tief gespalten in zwei unversöhnliche Lager (wie auch viele andere Autoren gezeigt haben) und diese Spaltung ist ein Ergebnis der Spaltung der extrem kommerzorientierten Medienwelt mit ihren eigenen Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie. Es wird vor allem im republikanischen Lager viel Geld mit dieser Spaltung verdient. Dabei gilt nach Auffassung der Autoren: “Die Spaltung des Landes ist kein Kollateralschaden, sie ist das Ziel. Donald Trump ist zugleich Produkt dieser Entwicklung wie ihr Beschleuniger.”

Quasi nebenbei liefern Brinkbäumer  und Lamby auch  eine fundamentale Kritik des amerikanischen Wahlsystem, dem sie konzedieren: “Das Wahlsystem ist nicht nur ein bisschen unfair, es ist destruktiv und undemokratisch”. Diese Kritik teile ich absolut.

Etwas abschweifend und nicht recht zum Thema passend, wie mir scheint, enthält das Buch ein Interview mit dem ehemaligen Sicherheitsberater unter Nixon, Henry Kissinger (einschließlich der Umstände, unter denen das Interview zustande kam) und Ausführungen zum damaligen Impeachment gegen Nixon.

Mir fällt auf: Im Literaturverzeichnis fehlen Autoren wie Arlie Russell Hochschild, Thomas Frank und Torben Lütjen, die ja bereits früher den Zustand Amerikas analysierten.
Zum Schluss machen die Autoren, vielleicht etwas anmaßend, zehn Reformvorschläge für die nächsten Jahre, darunter - natürlich - die Reform des amerikanischen Wahlrechts und Wahlsystems und, wahrscheinlich am dringendsten, eine Reform des Medienrechts, die diesen Namen verdient, weil sie auch Medien wie Facebook, Twitter u.a. haften lässt, wenn sie als Plattform für Fake News, Hasspostings und Verschörungsmythen genutzt werden.

Ausblick

Die USA unter Trump waren in der Gefahr sich in ein Land sich zu verwandeln, das Trumps Anhänger immer fürchteten (aber vielleicht auch unbewußt erhofften?). Ein Land, in dem nicht Recht und Gesetz das Leben der Menschen bestimmen sondern die Macht, die aus den Gewehrläufen automatischer Waffen kommt, ein Land, in dem nur das Recht des Stärkeren gilt.

Diese Gefahr besteht weiterhin, auch wenn das System Trump vorerst gescheitert ist. Das Ziel seines Kampfes wird vermutlich bleiben, ein politisches System zu etablieren, in dem man regierungskritische Medien nicht wie in Diktaturen verbietet, sondern sie durch tägliches, grenzenloses Beschimpfen unglaubwürdig zu machen versucht, sie so lange delegitimiert, bis Lüge nicht mehr als Lüge und Wahrheit nicht mehr als Wahrheit erkennbar ist und Fake News wie Tatsachen behandelt werden. Ein System, dass ganz gezielt die Spaltung des Landes in “Wir” und “Die” betreibt und dem politischen Gegner jede Existenzberechtigung abspricht, ihn als Feind markiert, der vernichtet werden muss.
Letztendlich ist das Ziel die Alleinherrschaft eines populistischen Despoten. 
Dies gezeigt zu haben ist das Verdienst des Buches. Wer es gelesen hat wundert sich nicht mehr über den “Sturm auf das Kapitol” am 6. Januar 2021.

Klaus Brinkbäumer, Stephan Lamby: Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe
C.H. Beck Verlag, München 2020, 391 Seiten

Materialien

Zur Verfügung stand mir die Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, die leider ohne Bilder gedruckt wurde, dafür aber sehr preisgünstig angeboten wird, für 7€.

Parallel zum Buch wurde auch eine sehenswerte TV-Reportage erstellt, die von der ARD im Oktober 2020, als noch vor der Wahlniederlage Donald Trumps, gesendet wurde und in der Mediathek zur Verfügung steht. Sie zeigt in einem chronologischen Rückblick bis zum Herbst 2020 das ganze Ausmaß der amerikanischen Tragödie und die - im doppelten Wortsinne -  unglaublichen Ausfälle des amerikanischen Präsidenten in erschreckenden und verstörenden Bildern. Das Buch wird durch die filmische Reportage auf überzeugende Weise komplettiert.

Die Reportage zeigt auch, wie Hassprediger und Verschwörungsmystiker aus dem rechten Lager (beispielhaft Alex Jones)  Stimmung machen und ungestraft zum Töten aufrufen können, ohne eine Bestrafung fürchten zu müssen. Das ist ein Eindruck, den ich nur schwer verarbeiten und überhaupt nicht verstehen kann.
Im Wahn - Trump und die Amerikanische Katastrophe
Erstsendung 26.10.2020
Video verfügbar bis 30.11.2021 ∙ 23:59 Uhr Laufzeit: ca. 88 Minuten

Ebenfalls bei der Bundeszentrale für  politische Bildung wird ein weiterer Reportageband angeboten, der Reiseerlebnisse zweier ARD-Korrespondenten aus den Jahren 2019 bis 2020 versammelt.
Julia Kastein / Sebastian Hesse-Kastein: Great Again? Reportagen aus einem zerrissenen AMerika. Bonn, 2020; ursprünglich: Mitteldeutscher Verlag Halle, 2020.

In diesem Reportageband findet man eine anschauliche Darstellung, wie in Iowa die Vorwahlen zur Präsidentschaft in Form des Caucus-abgehalten werden.

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