Donnerstag, 20. September 2018

Balzac läßt grüßen


Francoise Sagan: Ein bisschen Sonne im kalten Wasser. Aus d. Franz. von Ilse Walther-Dulk u. Robert Weisert, 1970

Ein Roman, der in der französischen Provinz und im Paris von 1967 spielt, und im Stil von Balzac und Stendhal geschrieben wurde, aber weniger umfangreich ist als die klassischen Romane des 19.Jahrhunderts. 

Mächtig weht der der Geist der Zeit in dieser kleinen Liebesgeschichte, wo man in gewissen Kreisen Whisky vor, während und nach dem Theaterbesuch trinkt und sich Kollegen aus der Zeitungsredaktion mittags zum Essen im Restaurant verabreden. Man kauft und hört Schallplatten, abendliches Fernsehen gilt als Zeitvertreib der Ungebildeten und Bequemen und wird kaum verziehen. Lieber geht man in die Bar oder den Club und trinkt Whisky (siehe oben). Will man von der Provinz in die Hauptstadt telefonieren, muss man beim Postamt ein Gespräch anmelden und lange, lange warten! Und zu Hause ersetzt der Mann der Concierge die Glühbirnen in der Wohnung. Ach, Paris.

Noch ist nichts von den kommenden umstürzenden Ereignissen zu spüren, aber Francoise Sagan ahnt schon etwas. Der Roman ist aus der Sicht des Mannes geschrieben und das kommende Jahrhundert der Emanzipation deutet sich an: der Mann ist der wankelmütige, sich selbst bemitleidende Waschlappen, die Frau die emotional Stärkere in der Beziehung, auch wenn sie tragisch scheitert. Das ist dann doch noch die vergehende Epoche der Nachkriegszeit.

Die Übersetzung ist zeitgebunden etwas betulich, man findet zum Beispiel das hübsche Sprichwort vom Gast, der sich auf französisch verabschiedet. Wer kennt diese Redewendung heute noch? Im Internet kann man Nettes dazu finden, z.B. dass es Ähnliches im Französischen gibt, wo es aber heißt, "sich auf englisch zu verabschieden". (On y soit qui mal y pense.)
Noch eine Kuriosität am Rande: Im Buch fand ich ein langes braunes Haar, sicher von der letzten Leserin. 

Die 219 Seiten sind schnell gelesen und bereut habe ich die dafür aufgebrachte Zeit keineswegs.

Ich habe das Buch nicht gekauft, sondern in einem öffentlichen Bücherschrank in Bessungen gefunden (das Haar!), mitten zwischen den üblichen Scheußlichkeiten aus dem Bertelsmann Lesering-Angebot; hier:



Im Internet findet man auch noch Rezensionen der Erstübersetzung, aber Vorsicht: Spoileralarm!
DER SPIEGEL vom 23.6.1969: Klick 

P.S.: Im Roman von Francoise Sagan begegnet uns das Paris der 60er Jahre wieder, wir wir es in den legendären Reportagen von Georg Stefan Troller kennen lernen durften: Das 'Pariser Journal', das uns zum Beispiel durch Straßen wie die Rue Mouffetard führten, auf den Friedhof von Père-Lachaise oder ins jüdische Viertel in der Nähe der Place des Vosges: Alles sehr pittoresk und selbstverständlich in schwarz-weiß.
(Ich habe zu Georg Stefan Troller schon mal einen Blogeintrag verfasst: Sondtrack of my Life #1)



Dienstag, 7. August 2018

Was die Hausfrau noch wusste #4

Auch Kindern macht die Hitze im Sommer zu schaffen. Hier zwei Rezepte, die bei Kindern immer wieder für Begeisterung sorgen:
Würstchen mit gefrorenen Himbeeren:


 Spiegelei auf Eis:



Tipp: Das Eis und die Himbeeren kühl halten. Gummibärchen als Deko erfreuen des Kindes Herz!
Haben Sie auch einen Tipp?


Sonntag, 13. Mai 2018

Wieder gelesen: Karl Marx

Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Kommentar von Hauke Brunkhorst,
suhrkamp, Frankfurt am Main, 2.Auflage 2017

Zwei Zitate aus dem ‘Achtzehnten Brumaire’ sind vielen politisch Interessierten bekannt, auch wenn sie sonst nichts von Marx gelesen haben:
"Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Thatsachen und Personen sich so zu sagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."
und
"Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller todten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden."
Letzteres wird gerne als Essenz eines marxistischen Geschichtsbildes benutzt.

Zum ersten Mal habe ich das Buch vor vierzig Jahren im Rahmen eines soziologischen Seminars bei Helmut Dahmer  gelesen. Das Thema war “Faschismusanalysen”. Der marxistische Theoretiker August Thalheimer sah, zurückgehend auf Karl Marx' "Achtzehnten Brumaire", im Bonapartismus, der verselbstständigten Staatsmacht der Exekutive, einen sinnvollen Ansatz zur Analyse faschistischer Bewegungen der Zwischenkriegszeit im 20. Jahrhundert - und wir im Seminar auch. 

Aber auch darüber hinaus hatte die Lektüre einen gewissen Reiz, denn Marx spricht in dieser Schrift Grundzüge einer Klassenanalyse an - und überhaupt ist Marx ein polemischer Stilist ersten Ranges. Selbst wer sich nicht unbedingt in die Details französischer Geschichte zwischen 1848 und 1852 einarbeiten will wird immer wieder Stellen von treffender Polemik finden, die das Lesen zum Vergnügen machen. Ganz abgesehen von Formulierungen (s.o.), die zum Zitatenschatz eines politisch gebildeten Lesers gehören (sollten).

Worin liegt die überragende Bedeutung des Buchs? Ich fasse anhand des umfangreichen und lesenswerten Kommentars von Hauke Brunkhorst (S.138 - 143) zusammen:
”Der Achtzehnte Brumaire ist erstens zu einem Wegbereiter der soziologischen und historischen Revolutionstheorie des 20. Jahrhunderts geworden.” 
“Zweites ist der Achtzehnte Brumaire vor allem deshalb ein immer noch aktuelles Werk, weil sein Thema der Umschlag von Revolution in Konterrevolution und Autoritarismus ist.” 
“Der Achtzehnte Brumaire ist drittens nicht nur für Geschichtsschreibung, Soziologie und politische Theorie, sondern auch für die Verfassungstheorie und die Theorie der parlamentarischen Demokratie ein klassischer, also immer noch aktueller Text”, weil er die “Verschränkung von von Staats- und Verfassungsrecht mit der Gesellschaft und ihrer politischen Ökonomie” aufzeigt.” Und 
“Viertens wird der Achtzehnte Brumaire seit geraumer Zeit von postmodernen, poststrukturalistischen und postmarxistischen Autoren neu entdeckt”  - ein Aspekt, den ich nicht nachvollziehen konnte und der mich auch nicht interessiert.
Überraschend war für mich jedoch ein anderer Aspekt, der mich seit geraumer Zeit umtreibt: die kulturelle und politische Spaltung Frankreichs in Zentrum (Paris) und Peripherie (Provinz), die Marx schon im 19. Jahrhundert als konstitutiv und problematisch für die Entwicklung des Landes sah, und der Dualismus der französischen Verfassung damals und heute, die ein gewähltes Parlament einem vom Volk gewählten Präsidenten gegenüberstellt, also zwei Volkswillen installiert, die in Konkurrenz zueinander stehen. Marx beschreibt das so:
"Während jeder einzelne Volksrepräsentant nur diese oder jene Partei,
diese oder jene Stadt, diesen oder jenen Brückenkopf oder auch nur die Noth¬
wendigkeit vertritt, einen beliebigen Siebenhundertundfünfzigsten zu wählen,
bei dem man sich weder die Sache noch den Mann so genau ansieht, ist Er
der Erwählte der Nation und der Akt seiner Wahl ist der große Trumpf, den
das souveräne Volk alle 4 Jahre einmal ausspielt. Die erwählte National¬
versammlung steht in einem metaphysischen, aber der erwählte Präsident in
einem persönlichen Verhältniß zur Nation. Die Nationalversammlung stellt
wohl in ihren einzelnen Repräsentanten die mannigfaltigen Seiten des
Nationalgeistes dar, aber in dem Präsidenten inkarnirt er sich. Er besitzt
ihr gegenüber eine Art von göttlichem Recht, er ist von Volkesgnaden."
Am 18. Brumaire (9.November) 1851 endete dieser Dualismus mit dem Staatsstreich des vom Volk gewählten Präsidenten, der die Nationalversammlung auflöst und sich ein Jahr später mit Unterstützung durch ein Plebiszit zum Kaiser ernennen lässt.

In der derzeitigen französische Verfassung ist dieser Dualismus wieder enthalten und kulminiert im Recht des Staatspräsidenten, jederzeit die Nationalversammlung auflösen und Neuwahlen ansetzen zu können, wenn das Parlament seinen politischen Willen nicht umsetzen will. Die Verfassung provoziert dadurch im Konfliktfall politische Instabilität und lädt  zur autoritären Staatsführung geradezu ein: Das Volk in Person des Präsidenten kann jederzeit gegen das Volk in Gestalt der Nationalversammlung in Stellung gebracht werden.
Aktuell: Wird es Macron gelingen, die Spaltung des Landes zu überbrücken? Und was wird er machen, wenn ihm das nicht gelingt und eines Tages seine heterogene “République en Marche” zerfällt?  Manche werfen ja schon heute Macron vor, seine Politikführung zeige imperiale Züge. Marx hätte sicher seine Freude an dieser Konstellation gehabt.


Nach vierzig Jahren das Buch von Karl Marx neu zu lesen war mühsam, hat aber letzten Endes doch wieder viel Spaß gemacht. Marx versteht zu bilden UND zu unterhalten.

Zusammenfassung bei Zeit Online: Klick
Originaltext bei Google Books: Klick
Digitale Originalausgabe, 2.Auflage 1869:  Klick

Dienstag, 1. Mai 2018

Gelesen: Nathalie Quintane - Wohin mit den Mittelklassen?

Nathalie Quintane: "Wohin mit den Mittelklassen?" Matthes & Seitz, 116 Seiten, 12 Euro.
(Als Kindle-Edition 7,99€)

Warum die Franzosen so gute Bücher schreiben...
darüber hat Iris Radisch ein Buch geschrieben, das überzeugend eine Antwort gibt und das sich unbedingt lohnt zu lesen (siehe meinen Post dazu).

Aber warum sie so schlechte Essays schreiben, dazu habe ich noch nichts gefunden. Bei Eribon kann man nachlesen, wie ein schlechter Essay funktioniert: Soziologische Theoreme vermischt mit Larmoyanz und Größenwahn ergeben eine Mischung, die den Kassenerfolg fast garantiert, aber leider Übelkeit hervorruft, wenn man zuviel davon konsumiert.

Nathalie Quintane hat eine neue Variante ins Spiel gebracht: Unverstandenes wird mit Abgestandenem so lange zu einem Brei verkocht, bis er ungenießbar ist und nur noch ausgekotzt werden kann. Und darin hat sie zweifellos eine gewisse sprachliche Originalität entwickelt, wie ihr Buch: "Wohin mit den Mittelklassen” zeigt.

Die Kritik an den Mittelklassen, den Mittelschichten, dem Mittelstand oder, geläufiger und prägnanter, am Kleinbürgertum ist allerdings ein alter Hut, insbesondere in der Form der Selbstkritik von Angehörigen dieser - unserer - sozialen Gruppe. In der Regel erschöpft sich die Selbstkritik jedoch in einer beliebigen Konsumkritik und in der Verachtung kultureller Massenware; in den 50er und 60er Jahren gerne als Kritik am TV-Konsum. Dabei galt schon immer die Regel:
"Der Kleinbürger will alles, nur nicht Kleinbürger sein. Seine Identität versucht er nicht dadurch zu gewinnen, daß er sich zu seiner Klasse bekennt, sondern dadurch, daß er sich von ihr abgrenzt, daß er sie verleugnet. Was ihn mit seinesgleichen verbindet, gerade das streitet er ab. Gelten soll nur, was ihn unterscheidet: der Kleinbürger, das ist immer der andere." (Enzensberger, 1982, S.199)
Dem hat Nathalie Quintane leider überhaupt nichts Neues hinzugefügt, lediglich die Produktnamen ändern sich bei der Konsumkritik, aber nicht die Produkte.

Was das Buch aber wirklich ärgerlich macht ist die Tatsache, dass die Autorin weder rechnen kann noch in der Lage ist, einen Gedanken, der über die wohlfeile Kritik an der eigenen Klasse hinausgeht, in verständlichen Sätzen zu formulieren:
Man kann die Vorstellung, die man sich von der Mittelklasse macht, auf einen Haufen Zahlen verkürzen. Dabei geht man von einem Durchschnittseinkommen aus, sodass die Hälfte der Lohnempfänger mehr verdient und die andere Hälfte weniger. Um diese Zahlen etwas konkreter zu machen, sagen wir, die Kohle, die die Mittelklasse verdient, liegt zwischen 70 und 150 Prozent des Mittelwerts: »Das ergibt Nettogehälter zwischen 1200 und 1840 Euro pro Person bei Vollzeitbeschäftigung.« Wenn 70 Prozent des mittleren Einkommens gleich 1200 € sind, erhält man einen MW von 1560 €”.
Stimmt leider nicht, und weder der Übersetzerin noch dem Lektorat (gibt es das noch?), ist das aufgefallen.
(Auch ist nicht der "Mittelwert" des Einkommens gemeint, sondern der Median, das ist allerdings der fehlerhaften Übersetzung geschuldet, denn im Original heißt es korrekt 'salaire médiane'.)
Auch an anderer Stelle beweist sie nachdrücklich, dass sie mit Zahlen und Statistiken nicht so richtig befreundet ist:
“Das Modell des Heißluftballons veranschaulicht die Verteilung der sozialen Klassen zwischen 1955 und 1975, das heißt zu einer Zeit, da ein Arbeiter neunundzwanzig Jahre brauchte, um den Lebensstandard einer oberen Führungskraft zu erreichen”
Wenn Sie in diesem Satz irgend einen Sinn erkennen, sind Sie bei Natalie Quintane gut aufgehoben, ansonsten werden Sie, wie ich, spätestens an dieser Stelle bereut haben, 7,99€ für die Kindle-Edition ausgegeben zu haben.
Stilistisch hat die Autorin ebenfalls Überraschendes zu bieten:
Die Mittelklassen verpesten die Luft, und sie verpesten sie, weil sie kastriert sind: Denn genau das werden die Mittelklassen von selbst über sich selbst denken, wenn alles so weitergeht.”
Müsste es nicht konsequent heißen: “wenn alles von selbst so weitergeht”?
Und
“Zum Schluss noch etwas, das sowohl einer Kurve als auch einem Bild gleicht: das »Treppenförmige«. Das »Treppenförmige« verlockt dazu, die Mittelklasse so wahrzunehmen, wie sie sich selbst sieht, in einer Linie nämlich, die einer Empfindung entspricht und dem versuchten Erklimmen eines Hochhauses mit einem Fahrstuhl ähnelt, der Macken hat und in regelmäßigen Abständen absackt und unser Herz stehenbleiben lässt, um dann umso verlässlicher wieder anzuziehen und damit wieder etwas Hoffnung zu schüren."
Ach ja, die Linie als Empfindung in einem Fahrstuhl, treppenförmig. Das ist Dada pur.
Es gibt weitere Stilblüten:
"Es ist natürlich unmöglich, nur den Ingenieuren, Technikern und höheren Angestellten die Schuld daran zu geben, dass sie den Weg für einen Weg geebnet haben, der bereits durch das geebnet war, was die gesamte Gesellschaft [...] wünschte."
Und:
"Natürlich möchte ich weder, dass die Mittelklasse verschwindet - das besorgt sie schon selbst - noch dass die Werte der Mittelklasse verschwinden - doch sie hat hat gar keine anderen ..."
Muss man das verstehen?

Man kann es so sehen wie Frau Eisenmann im Deutschlandfunk vom 12.3.2018:
“Ein kleines kluges Buch über die heutige Klassengesellschaft. “ [...]  Denn es ist diese aus dem Geist der Literatur geborene Subjektivität und Freiheit des Denkens, frei von akademischen und anderen Gemeinplätzen, die ihren Essay so anregend macht.”
Für mich ist das Buch eher ein gelungener Beweis für die These: “Je weniger Ahnung jemand von einer Sache hat, desto sicherer ist sein Urteil darüber”. Frau Eisenmann und Frau Quintane können sich die Hand reichen.

Wie kommt es dann, dass sich diese wunderliche, zur Revolte unfähige Bevölkerungsschicht selbst als Norm betrachtet und andere als anormal abstempelt? Sind die Mittelklassen die wahren Feinde der Demokratie?”, wird im Waschzettel der Amazon-Seite gefragt. Erwarten Sie bloß keine Antwort.


Bleibt zum Schluss die Frage, warum die Franzosen so schlechte Essays schreiben? Keine Ahnung, vielleicht weil es für Romane Lektorate gibt, für politische Essays aber nicht?


GUSTAV SEIBT: Die Rache als Lebensinhalt - Nathalie Quintanes Suada gegen die französischen Mittelschichten SZ-Besprechung von 09.04.2018
STEPHAN SPEICHER: Jetzt tut nicht so fein! Wachsende gesellschaftliche Unterschiede: Nathalie Quintane kühlt ihr Mütchen an der Mittelklasse FAZ-Besprechung von 21.04.2018


BARBARA EISENMANN:Nathalie Quintane "Wohin mit den Mittelklassen?" Ein kleines kluges Buch über die heutige Klassengesellschaft DLF 12.3.2018
http://www.deutschlandfunk.de/nathalie-quintane-wohin-mit-den-mittelklassen.1310.de.html?dram:article_id=412764

Zur Erholung empfehle ich:
Hans Magnus Enzensberger: Was ist so verführerisch am Freizeithemd? DER SPIEGEL 38/1976 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41146951.html
oder: Hans Magnus Enzensberger: Von der Unaufhaltsamkeit des Kleinbürgertums. Eine soziologische Grille. In: Hans Magnus Enzensberger. Politische Brosamen. Frankfurt a.M. 1982, S.195ff


Sonntag, 1. April 2018

Was die Hausfrau noch wusste #3


Ostereier müssen nicht unbedingt gefärbt werden! Mit etwas Glück und Geduld findet man im Lebensmittelhandel naturbelassene braune Eier, deren Farbe abriebfest ist und keiner Färbung mehr bedürfen.
Mein Tipp: Eigelbflecken lassen sich vermeiden, wenn die Eier ca. 10 Minuten in geeigneter Menge Wasser gekocht werden!
Haben Sie auch einen Tipp?

Frohe Ostern!

Was die Hausfrau noch wusste #1      Was die Hausfrau noch wusste #2

Freitag, 16. Februar 2018

Reiner möchte mal wieder verreisen

Gerne auch dahin, wo er schon mal war:






Oder auch, wo er noch nie war, aber gerne mal sein möchte:






Quelle: DIE ZEIT, Nr.1 vom 28.12. 2017

Aber am liebsten möchte er mit Sabine nach New York, nach Chicago zu Phil und nach Taiwan zu Susanne und Maggie!

Und ganz sicher werden wir auch in diesem Jahr einige Tage im Hotel Peterle in Altglashütten-Falkau verbringen, denn in keinem anderen Hotel haben wir uns jemals so wohlgefühlt wie bei Familie Müller. 

Dienstag, 23. Januar 2018

Anstößig - Offensive Content

oder / or: Die Wiederkehr des puritanischen Jahrhunderts/The return of the Puritan century


Violence: 
War


Torture


Beheading


Sexual Harassment
Nudity

Nudism

Sex Assault


Substance Abuse


Alcohol Abuse

Smoking

Meat Abuse



Cultural Appropriation


White Woman Wears Black Woman's Hairstyle

Black Woman Wears White Woman's Hairstyle

US-American Woman wears Caribbean's Hairstyle


White Man Plays Black Minstrel

Black Man plays White Man Playing Black Minstrel

Female  drives male bycicle

Micro Aggressions

Black Servants Protecting White Couple

White Supremacy
Von Gilbert Stuart - http://www.clarkart.edu/Collection/7577, Gemeinfrei, 

Unappropriate Story


A Poem
Aktuell: Ressentiment schlägt Poesie
"Das Gedicht von Eugen Gomringer ist sexistisch. Mit genial einfachen stilistischen Mitteln werden Frauen und Objekte semantisch gleichgesetzt und zum passiven Betrachtungsobjekt eines männlichen Flaneurs."   So Anna Sauerbrey im Tagesspiegel vom 29.1.2018
Gomringer-Gedicht an Hochschulfassade wird übermalt
Mitarbeiter und Studierende der Alice Salomon Hochschule in Berlin haben abgestimmt
http://www.deutschlandfunkkultur.de/gomringer-gedicht-an-hochschulfassade-wird-uebermalt.265.de.html?drn:news_id=842453
Die 'Generation Heulsuse' weinkrampft sich in die Öffentlichkeit:

Eine Erläuterung
Das Studium koste viel Geld, sagt Kate, es sei "nicht zu viel verlangt, uns zu schützen". Für die Unis sind Studenten Kunden, und der Kunde ist König. Also achtet man auf alle Sensibilitäten: Ein Turban als Faschingskostüm? Verboten, Diskriminierung von Indern. Ein vietnamesisches Hühner-Sandwich in der Mensa, das nicht dem Original entspricht? Gestrichen, kultureller Imperialismus. Sophokles' "Antigone" auf der Leseliste? Mit einer Warnung versehen, verstörendes Suizid-Thema.  
Roman Deininger und Jürgen Schmieder: Ach Leute! SZ 16.8.2017 S.3
"Kulturelle Aneignung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein brutaler Akt der Demütigung"Andrian Kreye: Der Hipster ist ein gemeiner Dieb. In SZ vom 11.8.2017, S.11

Ein Kommentar
Wenn man den Weißen Musikern verübelt, dass sie sich den schwarzen Blues 'angeeignet' haben, müsste man dann nicht Miles Davis verübeln, dass er sich 'Sketches of Spain' angeeignet hat? Darf ein schwarzer Musiker Mozart spielen?

If you blame the white musicians for' appropriating' the black blues, wouldn't you have to blame Miles Davis for appropriating' Sketches of Spain'? May a black musician play Mozart?

Emmanuel Bove: Ein verkannter Schriftsteller

Von Anonym - Czech Academy of Sciences, from Rozpravy Aventina, volume 4/1928-1929, issue 11, page 110., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=950548


Irgendwie und irgendwo bin ich bei der Lektüre von Irène Némirovskys "Suite Francaise" auf Emmanuel Bove gestoßen. Zu meiner Überraschung gab es in Darmstadt sogar eine Ausstellung zu dem Schriftsteller, von dem ich noch nie gehört hatte. Aber leider, leider, just an dem Tag, als ich diese Information bekam, war die Ausstellung auch schon beendet.



Wer war Emmanuel Bove?
Emmanuel Bove ist ein weithin unbekannter Autor mit einer wirklichen Fangemeinde. 1898 geboren, veröffentlicht er von 1924 bis 1937 an die dreißig Romane und Erzählungen von 1924; dann eine seltsame Pause bis 1945 und danach gerät er auch in Frankreich praktisch in Vergessenheit. Emmanuel Bove war kein Mitglied der “Mandarins von Paris” - das erklärt wahrscheinlich alles.

Erst in den 80er Jahren wird er wieder entdeckt und in Deutschland durch Peter Handke übersetzt und bekannt gemacht; gegenwärtig ist seine Bekanntheit jedoch schon wieder am schwinden. Immerhin gibt es einen Berliner Verlag, der sich liebevoll um eine Werkausagbe von Bove kümmert und auch unbekanntere Bücher von ihm in deutscher Übersetzung - sogar als als Amazon Kindle Edition -zugänglich macht,  Edition diá, und es gibt sogar eine eigene Webseite des Verlags, die sich dem Autor widmet!


Mein erstes Buch von Emmanuel Bove war Die Falle, ein Roman über Widerstand und Kollaboration in Frankreich unter deutscher Besatzung. 1945 erschienen war es eines seiner letzten Werke. Er starb nach der Rückkehr aus Algerien im Juli 1945 im Alter von 47 Jahren in Paris an Auszehrung und Herzversagen als Folge einer verschleppten Malaria-Infektion.


Falle ( Le Piège)
Das Thema des Romans, französische Kollaboration und Vichy-Regierung, konnte zum Zeitpunkt des Erscheinens, 1945, unzeitgemäßer nicht sein. Spät bekannte sich Frankreich zu diesem dunklen Kapitel seiner Geschichte, erst seit Jacques Chiracs Rede am 16. Juli 1995 und jüngst wieder betont durch Emmanuel Macron wird es in der Öffentlichkeit diskutiert.

Joseph Bridet, der Protagonist der Handlung, ist ein Mann von bestürzender Naivität. Unbeholfen und naiv bewegt er sich in einer Gesellschaft von Opportunisten, Karrieristen, Kollaborateuren und Verrätern. Er ist aber alles andere als ein Held des Widerstands. Von der Vichy-Regierung will er in offizieller Mission in die französischen Kolonien geschickt werden, um sich, was sein eigentlicher Plan ist, heimlich dem Widerstand unter de Gaulle anzuschließen.

In einer kafkaesken Situation wird er nun von Behörde zu Behörde, von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter weitergeleitet und gerät mehr und mehr in die Mühlen der Vichy-Bürokratie. Immer neue Schwierigkeiten tun sich auf, aber alle Beteiligten sind sehr aufmerksam ihm gegenüber, immer signalisiert man ihm, dass es um eine bloße Formalität ginge und sich alles klären würde. Seine Situation wird jedoch immer bedrohlicher und die Versprechen auf Aufklärung sind immer weniger überzeugend. Selbst die Flucht nach Paris kann ihn nicht mehr retten. Am Schluss wird er auf Grund eines grotesken Irrtums als Geisel erschossen.

Bove zeigt ein schonungsloses Bild französischer Kollaborateure. So  schwadronieren sie über die deutschen Besatzer :
“Allzu viele Leute hatten ein Interesse, sie uns als Barbaren auszumalen, die kleinen Kindern die Hände abschneiden."  
“Die Juden und die Kommunisten”, sagte Bridet.- [...] 
"Wir müssen uns mit den Deutschen verständigen. Ich sage es seit 1934. Persönlich waren sie mir immer sympathisch. Es sind jedenfalls Leute, die über außergewöhnliche Qualitäten verfügen.” (S.32f)
Der Roman erschien kurz vor dem Tod von Emmanuel Bove, und war kein großer Verkaufserfolg, anders noch wie seine Romane in der Vorkriegszeit. Man kann verstehen, dass 'Vichy und Kollaboration' nach dem gewonnenen Krieg nicht gerade begeistern konnte. Um so bemerkenswerter, dass Bove sich dem Thema stellte und die Anpassungsbereitschaft vieler seiner Landsleute schonungslos offen legte.

Links zum Buch
Ralf Konersmann: Nächste Ausfahrt Zwischenreich. Es ist, wie es ist: Weitere Sonderlinge von Emmanuel Bove  FAZ 28.05.1996
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-naechste-ausfahrt-zwischenreich-11303168.html

Martin Doerry: Held ohne Heldentum; DER SPIEGEL 24.06.1996
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8940256.html

Volker Frick: Emmanuel Bove, Die Falle
http://www.buchkritik.at/kritik.asp?IDX=856

Christoph W. Bauer: Sidonie-Gabrielle Colette und Emmanuel Bove: Das Leben ist nicht literarisch 
http://derstandard.at/2000026945604/Sidonie-Gabrielle-Colette-und-Emmanuel-Bove-Das-Leben-ist-nicht



Obwohl ich ein Faible für 'realistische’ Romane habe, d.h. Romane, die Auskunft geben über Menschen in ihrer Zeit, werde ich hier und da doch gefesselt von Romanen, die weniger soziologisch und mehr literarisch sind und sich ganz einem Individuum und seiner Gedankenwelt widmen. So wie es Emmanuel Bove in seinem Roman “Meine Freunde” mit der Person von Victor Bâton gelang:




Meine Freunde (Mes Amies)
Der Flaneur Victor Bâton hat nur ganz kleine Pläne, er will einen Freund und eine Mätresse haben, aber die Träume erfüllen sich nicht. Er träumt sich ein angenehmes Leben, aber auch das wird er nicht erleben.
Ein armer Teufel, dem seine Phantasien davonlaufen, Kriegsinvalide des 1.Weltkrieges, in abgetragener Kleidung, löchrigen Schuhen, mit verstümmelter Hand und hinkend, bewegt er sich voller Hoffnung und Selbstvertrauen in den Straßen von Paris, schnell in seinem Viertel und langsam in unbekanntem Revier, in Kaschemmen und zwielichtigen Etablissements.

"Ich setze mich auf einen Sessel [...] und denke an die Zukunft. WIe möchte ich glauben, daß ich eines Tages glücklich sein werde, daß eines Tages jemand mich liebhaben wird. Aber so lange schon warte ich auf die Zukunft!" (S.204). Vergeblich.

In nüchternen Hauptsätzen charakterisiert Bove seinen Helden, ganz ohne Psychologie: Der reine Tor, der sich immer selbst im Wege steht, und deshalb nie das Glück finden wird, selbst wenn es ihm auf dem Silbertablett serviert wird. Und der niemals einen Freund haben wird.
„Meine Freunde“ ist die rückhaltlose Beichte eines Mannes, der bei den Menschen Halt sucht, ihnen durch die Straßen folgt, um herauszufinden, ob sie ihm Freund werden wollten, und der am Ende doch immer wieder allein ist. Das Besondere: Bove erzählt die inneren Qualen seiner Figur nüchtern, so als seien sie nur von den äußeren Erscheinungen, von dem, was nach außen dringt ablesbar.”Sabie Rothemann: Getriebener statt Flaneur: Emmanuel Boves Held streift durch Paris FAZ 17.07.2001
Ich habe noch weitere Romane von Emmanuel Bove gelesen:



Mehr über Bove / Links:



Emmanuel Bove (Wikipedia)
Emmanuel Bove (Website der Edition diá)
Emmanuel Boves Figuren zwischen Einsamkeit und Wahnsinn Von Liane Schüller http://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=23840

Die Darmstädter Universitäts- und Landesbibliothek sichert die Spuren des französischen Schriftstellers Emmanuel Bove. http://www.sueddeutsche.de/kultur/ausstellung-die-stille-prosa-eines-golfspielers-1.3549283

SPIEGEL-Redakteur Harald Wieser über den französischen Schriftsteller Emmanuel Bove
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14357048.html

Von Benjamin Henrichs: Ich bin traurig. Ich bemühe mich, es zu bleiben. Emmanuel Bove und sein Buch „Meine Freunde“ 
DIE ZEIT 4. Dezember 1981, Aktualisiert am 21. November 2012
http://www.zeit.de/1981/50/ich-bin-traurig-ich-bemuehe-mich-es-zu-bleiben

(Geschrieben am Jahrestag des Deutsch-Französischen Élysée-Vertrags.)